Kernenergie und Gesellschaft

Die Kernenergie ist eine kontroverse Technologie. Oft fliegen die Emotionen, wo mehr Sachlichkeit im Dialog sinnvoll wäre. Doch der Dialog ist gut und wichtig. Denn das Volk entscheidet nicht nur an Volksabstimmungen mit, wie die Energiepolitik der Schweiz gestaltet werden soll. Vom Volk gewählte Kantonspolitiker agieren als Verwaltungsräte in der Führung der Energiekonzerne. Diese Konzerne sind grossteils in der Hand der Kantone und kantonalen Elektrizitätswerke, die wiederum dem Volk gehören. Die Kernkraftwerke gehören zu 85% der öffentlichen Hand und sind damit Volksvermögen, von dem das ganze Land seit Jahrzehnten profitiert. Bürger wie Volksvertreter sollen deshalb über die verschiedenen Energietechnologien informiert sein. Und wissen, was es bedeutet, wenn die Schweiz Kernenergie einsetzt oder nicht. Die direkte Demokratie ist nicht nur Privileg, sondern auch Verpflichtung zur sachlichen Auseinandersetzung mit Themen, die das Land beschäftigen. Energie ist ein anspruchsvollen Thema, das jeden angeht.

 

Die Frage nach dem Risiko

Wie man die Kernenergie wahrnimmt, hängt stark von den Medien ab. Aus mancher Fliege machen Medien oft einen Elefanten, weil dies dickere Schlagzeilen hergibt. Eine Krebsbestrahlung wird gemeinhin als „gute" oder nützliche Kernenergie gesehen, Atomstrom als „böse" Kernenergie. Ist das objektiv? Es geht um dieselbe Technologie.

 

Das Restrisiko der Kernenergie löst Ängste aus. Dabei ist es viel kleiner als viele andere Risiken, die wir täglich in Kauf nehmen – Autofahren, Rauchen, Sport und Arbeiten im Haushalt. Fest steht: nichts ist absolut sicher und jede Technologie birgt Risiken und Nebenwirkungen. Nur nehmen wir diese oft nicht mehr wahr, weil wir uns an sie gewöhnt haben. So verursachen die fossilen Energieträger seit Jahren massive Umweltschäden und fordern jährlich tausende von Menschenleben – bei Förderung, Transport, Verarbeitung und beim Verbrennen, wo schädlichste Emissionen in der Atmosphäre wild entsorgt werden. Diese Schäden sind sehr real. Die zivil genutzte Kernenergie hat in der Schweiz hingegen noch kein einziges Leben gefordert. Im nicht-nuklearen Teil der Anlagen passieren manchmal trotz bester Vorsicht Betriebsunfälle, wie in jeder industriellen Anlage. Doch die Anlagen selbst gefährden niemanden.

 

Je nach Blickwinkel und persönlichem Bezug sieht man eher die Vorteile oder Nachteile der Kerntechnik. Echte Orientierungshilfe bietet sachliche und objektive Wissenschaft, wie sie beispielsweise das PSI betreibt. Mehr dazu unter Nachhaltige Entwicklung

 

Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung

Der Stomverbrauch der Schweiz beläuft sich heute auf rund 60 Terawattstunden. Er wird in den nächsten Jahren aufgrund der Dekarbonisierung auf 90-100 TWh steigen. Diesen enormen Mehrbedarf können die erneuerbaren Energien nicht alleine stemmen. Der erneuerbare Zubau über Windkraft, Wasserkraft und solare Energie in den Alpen würde grosse Eingriffe in die Natur und Landschaften mit sich ziehen und insbesondere die Biodiversität weiter schädigen, um die es heute schon schlecht bestellt ist in unserer Schweiz. Die bestehenden Kernkraftwerke zu ersetzen und zudem diesen Zubau zu bewältigen, ist schlicht unmöglich. Denn die heutigen Kernkraftwerke decken einen Drittel unseres Strombedarfs - sicher, zuverlässig,  wetter- wie saisonunabhängig und vor allem auch regelbar, was für die Stabilität des Stromnetzes unabdingbar ist. Neue Erneuerbare Energien können das nicht.

 

In absehbarer Zukunft werden aber die heutigen Kernkraftwerke vom Netz gehen. Deshalb muss ihr Ersatz jetzt schon angegangen werden, damit beizeiten ausreichend klimafreundlicher Strom vorhanden ist.


Winterstromlücke

Im Sommer wird weit weniger Strom verbraucht als im Winter. Solarstrom fällt aber vor allem im Sommer an. Im Winter ist der Ertrag  zu gering. Er kann aber nicht im nötigen Grossmassstab ökologisch und ökonomisch gespeichert resp. in den Winter verschoben werden. So wird Solarstrom deshalb nie wesentlich zur Versorgungssicherheit im Winter beitragen können. Hierbei können auch solare Anlagen in den Alpen nur wenig Abhilfe schaffen. Es bräuchte es allein rund 3000 Photovoltaikanlagen der Grösse Muttsee (PV auf der Staumauer), um allein die Winterproduktion des KKL zu ersetzen. Auch Windkraft, die im Winter eher Strom liefert, reicht nicht aus. Hier wären  2000 Anlagen an optimalen Standorten nötig, um die Produktion des KKL zu ersetzen. Dieses Szenario will man dem weder dem Landschaftsschutz noch dem Schweizer Tourismus antun. Tage ohne Wind wären dabei auch immer noch möglich. Und damit ein drohendes Black-out.

 

Es braucht darum dringend beides: Den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Augenmass und Rücksicht auf die Natur, sowie den Neubau von Kernkraftwerken. Nur so können wir Versorgungssicherheit und Klimaschutz zugleich erreichen.